Marita Caspari: o.T.
"Marita Caspari Wenn die elementare Natur in der elementaren Malerei aufgeht
Die Freiheit des Malens, aus dem Nichts eine malerische Spannung zu erschaffen, aus der Vielfalt der Eindrücke das Wesentliche zu verdichten, bei Marita Caspari ist alles in Bewegung, im Wandel von Farbe, Form und Energie, formt sich die elementare Natur zur elementaren Malerei. Licht, Luft, Steine, Erde, Wasser, die Wärme und die innere Energie einer Landschaft – bei Marita Caspari sind die Elemente der Natur, das Elementare erlebter Momente die treibende Kraft für die Malerei. Eine Malerei, die sich auf das Wesentliche konzentriert, auf die Reduktion von Farbe, Form, Linie und Bewegung und doch immer der Natur, den Elementen verhaftet bleibt.
Auch wenn ihre farbintensiven Malereien, ihre kleinen, eher kalligrafischen Bildgeschehen auf den ersten Blick abstrakt erscheinen, sie sind es nicht. Es sind Seelen-Stimmungslandschaften, Geschichten der Wandlung und Verwandlung. Malerische Nachklänge auf Naturereignisse, auf Kräfte, die in der Natur wirken, Eindrücke inspirierender Farbklänge, ein kurzes Glück in der Natur, berührende Augenblicke des Wortes, der Musik, der Landschaft. Das sind die Momente, die bei Marita Caspari die Bilder hervorbringen. Bilder, in denen malerische Prozesse aufeinander wirken – und die Künstlerin mitten drin agiert, den Pinsel führt, die Farben und Linien vereinigt. Marita Casparis Bilder entstehen frei aus dem Inneren heraus, blühen auf wie kleine Improvisationen oder wachsen auf einem intensiven schöpferischen Weg der Bildentstehung, der wichtig ist für die Künstlerin. So, wie sie aufgeht in den Eindrücken und Erlebnissen, so geht sie auch auf im Bild.
Eine wichtige Rolle spielt Lanzarote, die Vulkaninsel, mit dem bizarr geformten Lavagestein, dem dunklen, grobkörnigen Sand, eine schüttere Landschaft, karg die Flora, nur kurz erwacht im Frühjahr im Norden die Vegetation. Seit 20 Jahren zieht es sie nach Lanzarote, seit sechs Jahren arbeitet sie hier über Monate, gibt Kurse, nimmt das Elementare der Natur als Inspiration, als Quelle für ihre Kunst. Es ist ihr Lebensenergieort, er gibt ihr die Freiheit, aus dem Nichts etwas zu erschaffen: Die absolute Reduktion einer Landschaft, die dennoch lebt, in feiner steten Veränderung sich befindet und sie zur Malerei herausfordert; vielleicht noch wie Sylt, ein ebenso wichtiger Ort der Inspiration.
Denn so, wie ein Vulkan immer wieder Energien freisetzt, so wirkt auch bei Marita Caspari eine schöpferische Energie, die eine Zeitlang ruht, dann aus dem Seeleninneren heraus sich entlädt: Aus den Tiefen ihrer inneren Schichten wachsen die Bilder in Sequenzen und Zyklen. Kleine kalligrafisch anmutende Bildgeschichten, mit Tusche, Pigmenten, Sand und Binder mit dem grossen Pinsel lustvoll aufs Papier gebracht. Zeichenhaft, manche erdig verdichtet, andere lustvoll und spontan aus dem Augenblick heraus, doch konzentriert auf die bewegte Pinselführung. Es ist der kurze, kreative Moment, der zählt, diese Spannung, wenn sich aus der Spontanität zweier, dreier Pinselstriche ein Geschehen, etwas Anekdotisches formt wie ein kurzes Gedicht, ein nicht mehr zu korrigierendes malerisches Ereignis, im freien Rhythmus einer fernen Melodie komponiert.
Marita Caspari kommt ursprünglich von der akademisch exakten Zeichnung. Im Laufe ihrer künstlerischen Ausbildungen hat sie sich gelöst von der klaren Linie, ohne die Linie aufzugeben, die als Uridee, Ursprung der Bildentstehung immer da ist. Weniger ist nun mehr geworden dank der künstlerischen Freiheit, sich auf Farbe und Form (und Linie) zu konzentrieren. Die Bilder auf Leinwand entwachsen einem intensiven Prozess. Schicht um Schicht und mit grosszügiger Geste. Mit Binder, Sand, Tusche, Farbe, Pigment und Wasser führt sie das Bild durch die – auch inneren – Schichten von unten nach oben, immer auf der Suche nach dem Wesentlichen einer Stimmung, dem bewussten Nachklingen eines tiefempfundenen Momentes, eines nachhaltig erlebten Ereignisses. Es ist eine energiegeladene Bildentstehung aus Dynamik und Innehalten. Schwungvoll lässt Marita Caspari die verschiedenen Kräfte miteinander wirken, sucht das Bild in sich und auf der Leinwand. Und stets ist die Malerin mitten in diesem komplexen Bildgeschehen, im Fluss der Farbaufträge, Schichten, Linien, formalen Bewegungen, bis sich ihre innere Energie und die bildnerische Spannung zur Ganzheitlichkeit vereinigt und die Kunst zur Begegnung einlädt.
Eva Buhrfeind, Juni 2016"